Carolin: Burckhardt hat eine fast 75-jährige Geschichte, die wir alle mit unserer Arbeit fortschreiben. Deshalb möchte ich mit euch über die jüngste Vergangenheit, aber auch die Gegenwart und Zukunft sprechen. Wenn ihr auf die letzte Dekade zurückblickt: Was waren die wichtigsten Veränderungen bei Burckhardt?
Christof: Wir sind von fünf oder sechs Büros zu einem Unternehmen zusammengewachsen. Als ich vor einigen Jahren zu Burckhardt gestossen bin, habe ich von den anderen Standorten wenig mitbekommen. Heute hat das Miteinander eine andere Qualität – nicht nur in der Führungsebene. Der Austausch ist insgesamt viel intensiver. Wir haben 2023 mit dem Partner-Panel ein Gremium geschaffen, in dem wir regelmässig strategische Fragen diskutieren und vorantreiben. Es gibt standortübergreifende Arbeitsgruppen zu verschiedenen Themen, gemeinsame Veranstaltungen, Reisen und Projekte.
Wolfgang: Im Verlauf der letzten ca. 15 Jahre haben wir eine neue Kultur geprägt. Wir haben jüngere und diversere Mitarbeitende eingestellt und das Spektrum an Möglichkeiten erweitert, sich innerhalb von Burckhardt weiterzuentwickeln und mitzugestalten. Dazu gehört die Erweiterung des Partner-Kreises. Wir leben eine Führungskultur, die viel mehr Menschen aktiv miteinbezieht, als das früher der Fall war.
Christina: Weil wir viele unterschiedliche Perspektiven einbringen und Transformationen gemeinschaftlich abstützen, verändern wir uns schneller als früher. Das müssen wir auch, um mit den beschleunigten Entwicklungen in Technologie und Gesellschaft Schritt halten zu können.
Oliver: In diesem Zusammenhang finde ich den Satz «Wir werden nie besser sein als unsere Mitarbeitenden» besonders wichtig. Unsere Mitarbeitenden haben heute andere Haltungen und Erwartungen als noch vor 10 oder 20 Jahren. Wissen für sich zu behalten, um unersetzbar zu bleiben, sowie Überstunden zu sammeln, um sich zu beweisen, ist nicht mehr zeitgemäss. Die Prioritäten haben sich verändert – und das ist auch gut so. Es ist uns gelungen, auf diese Entwicklung zu reagieren und ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem sich Menschen wohlfühlen. Genau das sehe ich auch als eine zentrale Aufgabe von Führungskräften: Nur so können wir hervorragende Mitarbeitende gewinnen und langfristig halten.
Carolin: Einer unserer Werte lautet «Die Freude am gemeinschaftlichen Arbeiten befähigt uns zu Grossem». Ihr habt den Austausch, den wertschätzenden Umgang und die Gestaltungsmöglichkeiten erwähnt. Was macht das gemeinschaftliche Arbeiten bei Burckhardt noch aus?
Jantos: Uns ist die Gemeinschaft wichtig. Gleichzeitig unterscheiden sich die einzelnen Standorte jedoch deutlich voneinander, nicht nur aufgrund der uneinheitlichen Gesetzgebungen und Prozesse. Sondern vor allem wegen der kulturellen Unterschiede. Schon Zürich ist deutlich anders als Basel, und erst recht die Westschweiz oder Berlin. Darüber können wir nicht einfach hinwegsehen, das würde nicht funktionieren. Das Miteinander erfordert permanent kulturelle Übersetzungsleistungen, was bewirkt, dass wir uns reflektieren und offen bleiben. Auch das ist etwas, worauf unsere Zusammenarbeit fusst.
Wir kennen die unterschiedlichen Perspektiven und können uns in die jeweiligen Denkweisen hineinversetzen.
Kenzo Krüger-Heyden
Carolin: Was bedeutet «gemeinschaftliches Arbeiten» in Bezug auf unsere Auftraggeber?
Christina: Das hat sehr viel mit Vertrauen zu tun und Vertrauen wiederum mit Transparenz. Wenn wir mit unseren Planungspartnerinnen oder Bauherren eine gemeinsame Zielsetzung formulieren können, vielleicht mit leicht anderen Schwerpunkten, haben wir viel gewonnen. Davon überzeugt zu sein, an einem Strang zu ziehen – das ist eine sehr gute Ausgangslage.
Carolin: Burckhardt vereint viele verschiedene Leistungen unter einem Dach. Ich erlebe das so, dass hier in einem guten Sinn Aushandlungsprozesse zwischen den Gesellschaften, den Standorten oder auch Partnern zum Alltag gehören. Prägt dieser Umstand ein bestimmtes Mindset, das auch im Umgang mit Bauherren und Planungspartnerinnen zum Tragen kommt?
Kenzo: Ich denke, ja. Uns hilft, dass wir unterschiedliche Rollen ausfüllen. Wir sind sowohl Architekten als auch Entwicklerinnen und ausserdem auch in der Vermarktung tätig. Wir kennen die unterschiedlichen Perspektiven und können uns in die jeweiligen Denkweisen hineinversetzen.
Wolfgang: Und wir gehen offen damit um, dass zum Erfolg eines Projekts immer unterschiedliche Individuen, Parteien und auch Perspektiven beitragen. Deshalb fällt es uns vergleichsweise leicht, uns auf agile Arbeitsweisen oder auf neue Abwicklungsmethoden einzulassen, wie Integrated Project Delivery (IPD), wobei Auftraggeberin, Planerinnen und ausführende Firmen gemeinsam einen Mehrparteienvertrag abschliessen und das gesamte Team in einer Co-Location zusammenarbeitet.
Carolin: Was bedeutet für euch gross in dem Satz «Die Freude am gemeinschaftlichen Arbeiten befähigt uns zu Grossem»?
Kenzo: Bei unseren eigenen Arealentwicklungen geht es um eine durchgehend hohe baukulturelle Qualität von den Entwicklungsleistungen über die Architektur bis zu Fragen des Betriebs. Mit einem Projekt, das einen Mehrwert schafft für den Nutzer, die Bauherrin und darüber hinaus auch für die nähere Umgebung – die Gemeinde oder die Stadt –, leisten wir insgesamt einen positiven Beitrag für die Gesellschaft.
Carolin: Martin H. Burckhardt hat die gesellschaftliche Verantwortung von Architektinnen immer wieder betont, die Christina und Kenzo gerade schon angesprochen haben. Bei uns heisst es jetzt «Unser Tun hat Konsequenzen für die Zukunft». Wie trägt Burckhardt der Zukunft Rechnung?
Wolfgang: Dass die Bauwirtschaft einen sehr grossen Teil des weltweiten CO2-Ausstosses verursacht, ist inzwischen hinlänglich bekannt. Daraus ergibt sich eine klare Verantwortung. Das ist keine Frage des Wollens, wir müssen uns im Hinblick auf ökologische Nachhaltigkeit weiter bewegen.
Christina: Bei Burckhardt gab es schon immer einen hohen Anspruch an soziale Nachhaltigkeit. Wer baut, beeinflusst das Lebens- oder Arbeitsumfeld von Menschen. Auch daraus resultiert eine grosse Verantwortung.
Wir müssen die Skalierung von nachhaltigen Lösungen vorantreiben.
Christof Goldschmid
Christof: Ich denke, es geht um Baukultur in einem umfassenden Sinn, wie sie 2018 in der Erklärung von Davos definiert wurde. Was gute Architektur heute auszeichnet, ist, dass sie wegkommt vom Objekthaften. Es geht nicht primär um das perfekte Bild eines Bauwerks bei Fertigstellung. Wichtiger ist, wie es auf den Kontext eingeht, welche Freiräume es konstituiert oder welche Qualitäten es in 20, 30 oder auch 50 Jahren noch hat. Und es muss so flexibel sein, dass es von den Nutzerinnen anders angeeignet werden kann, als wir es ursprünglich geplant hatten. Es muss auf veränderte Bedürfnisse reagieren können. Wenn uns das gelingt, haben wir ein Stück Zukunft antizipiert, auch das gehört für mich zur Verantwortung.
Wolfgang: Weil wir aber auch selbst entwickeln, geht es wesentlich über einzelne Bauwerke hinaus. Mit unseren Entwicklungsleistungen sind wir auch in die frühen Leistungsphasen involviert und damit in programmatische Setzungen. Viele Parameter werden im städtebaulichen Massstab entschieden, von der Qualität der Aussenräume über Fragen von Dichte, funktionaler Durchmischung und sozialer Vielfalt bis zu Aspekten der Mobilität. Wir haben also die Möglichkeit, in einem sehr ganzheitlichen Sinn einen baukulturellen Beitrag zu leisten und damit Verantwortung anders wahrzunehmen.
Rafael: Mich interessiert die Frage, wo die Grenze verläuft: Wir sind einerseits Dienstleister und betonen das partnerschaftliche Arbeiten mit unseren Auftraggeberinnen. Andererseits möchten wir für unsere Werte und unsere Unternehmenskultur einstehen. Das kann ein Zielkonflikt sein. Ich finde es wichtig, dass wir offen darüber diskutieren, ob wir Aufträge ablehnen, die unseren Werten widersprechen.
Christof: Ich sehe mich nicht nur als Dienstleister, sondern auch als Berater auf Augenhöhe, der neue Ideen und Lösungsansätze ins Spiel bringt. Eigentlich sollten wir unseren Bauherrinnen noch viel stärker Wege aufzeigen, wie man auf möglichst viel Fläche und Volumen verzichten und Bestehendes weiterverwenden kann. Das ist aus wirtschaftlicher Sicht für uns nicht hilfreich, aber gesellschaftlich sinnvoll. Ich warte auf den Zeitpunkt, an dem wir als Architekten für das bezahlt werden, was nicht gebaut wird. Im Moment folgt noch alles der Logik: grösseres Gebäude, mehr Honorar.
Rafael: Das hört sich so an, als sei der Terminus Dienstleistung negativ konnotiert. Wenn man sich den gesamten Lebenszyklus eines Hauses ansieht, also auch unsere Leistungen als Burckhardt Immobilien wie Vermarktung, Bewirtschaftung, Instandhaltung, Wartung und Instandsetzung, dann geht es vor allem um Dienstleistung. Und zur Dienstleistung gehört selbstverständlich auch eine gute Beratung dazu.
Christof: Einverstanden!
Wolfgang: Ich möchte zurückkommen auf Rafaels Frage nach der Grenze: Es gab bisher schon und wird sicher auch künftig Projekte geben, die wir aus ethischen Gründen klar ablehnen. Das sind aber Ausnahmen. Viel häufiger gibt es Projekte, die weder schwarz noch weiss zu bewerten sind. In diesen Graubereichen versuchen wir, den Weg der Überzeugungsarbeit zu gehen. Jedes Projekt ist ein gemeinsamer Weg. Ich erinnere mich an einige Bauherrschaften, die wir im Lauf der Zeit von nachhaltigeren Lösungen überzeugen konnten. Überzeugungsarbeit ist Langstrecke.
Christof: Ich denke, das entspricht auch unserer Rolle als grossem Büro: Wir müssen die Skalierung von nachhaltigen Lösungen vorantreiben, und dafür braucht es einen langen Atem.
Wolfgang: Um Rafaels Frage nach der Offenheit zu beantworten: Ich denke, die haben wir. Weil wir nicht fremdbestimmt sind, sondern uns selbst gehören. Aber auch, weil wir mit dem Partner-Panel ein Team haben, das sich vertraut und regelmässig gemeinsam grössere Fragestellungen diskutiert und gemeinsam entscheidet.
Wir streben einen Mehrwert an, der über das reine Gewinninteresse hinausgeht.
Wolfgang Hardt
Carolin: Ich möchte noch einmal auf die Entwicklungen zurückkommen. Man könnte hier auch kritisch fragen, ob der kühl kalkulierende Blick der Entwickler nicht den hohen baukulturellen Anspruch «kontaminiert». Was entgegnet ihr?
Kenzo: Wenn ich die Investitionsseite verstehe, heisst das noch lange nicht, dass ich meine Prinzipien aufgebe. Im Gegenteil. Mein Antrieb ist es, den Rahmen zu setzen, um eine hohe städtebauliche wie auch architektonische Qualität zu gewährleisten. Ich sehe das sogar als Verpflichtung, wenn man die Mittel hat, Quartiere zu entwickeln. Ob die Kritik berechtigt ist, entscheidet sich an der Qualität, und die müssen wir konstant hochhalten.
Oliver: Ich kann nur unterstreichen, was Kenzo sagt. Das entspricht meiner Erfahrung. Bei den Projekten, die wir bisher in der Romandie mit unseren Entwicklern zusammen gemacht haben, wie aktuell zum Beispiel das Wohnhaus Chasseron in Lausanne, hatte die Qualität in der Architektur einen sehr hohen Stellenwert, das war gar keine Frage.
Kenzo: Das hat auch mit den Prägungen unseres Teams in den Entwicklungen zu tun: Alle kommen aus der Architektur und haben sich anschliessend weiter qualifiziert. Man merkt, dass die Motivation stark aus dem baukulturellen Anspruch und der gesellschaftlichen Dimension kommt. Das macht unser Profil aus.
Wolfgang: Als Architekten geben wir einfach immer alles. Wenn wir eine bessere Lösung sehen, möchten wir die auch umsetzen. Selbst wenn wir nicht dafür bezahlt werden.
Carolin: Also eine Form von Idealismus.
Wolfgang: Auf jeden Fall! Und ich möchte noch einen anderen Aspekt ergänzen: Bauen ist ein stark zergliederter Prozess. In der Regel gibt es unterschiedliche Stakeholder, die partikulare Interessen verfolgen und trotzdem zusammenwirken müssen, was nicht immer einfach ist – vom Investor über die Planer und ausführenden Firmen bis zum Facility-Manager.
Dadurch, dass wir mit unserem breiten Leistungsspektrum von der Entwicklung bis zur Vermarktung vieles abdecken, können wir die Dinge gesamtheitlich betrachten. Wir streben einen Mehrwert an, der über das reine Gewinninteresse hinausgeht. Ich sehe darin ein Privileg und auch eine grosse Stärke.
Carolin: Ich wäre wahrscheinlich nicht zu Burckhardt gekommen, hätte ich nicht zuvor einige Gespräche mit dir, Wolfgang, und anderen gehabt. Vieles von dem, was Burckhardt zu einem interessanten Ort macht, ist nicht offensichtlich. Um nur ein paar Beispiele zu nennen: Dass Burckhardt die erste Closed-Cavity-Fassade entwickelt hat, seit vielen Jahren mit internationalen Büros wie SOM zusammenarbeitet – wo Martin H. Burckhardt übrigens seinerzeit ein Praktikum absolviert hatte – oder eine eigene Stiftung hat, die Mitarbeitende in Notfällen unterstützt, weiss kaum jemand. Es scheint fast so, als gäbe es eine Tradition, interessante Dinge zu tun, ohne darüber zu sprechen. Ist das sehr baslerisch?
Rafael: Ja, das ist sehr tief in unserer regionalen Kultur verankert. In Basel ist man sehr zurückhaltend. Das lernt man schon als Kind. Man spendet in Basel auch anonym.
Dann stand die Familienplanung an und Burckhardt hat mir die Möglichkeit gegeben, Familie und Karriere zu vereinen.
Christina Muchsel
Christina: Für mich ist das auch eng an den Idealismus gebunden, den wir als Architekten haben. Wir stecken unsere ganze Energie in ein Projekt, die Kommunikation darüber ist nachranging – schon steht das nächste Projekt an. Und wir stecken unsere Ziele sehr hoch und sehen dann vielleicht etwas zu selbstkritisch auf das, was wir nicht erreichen konnten.
Oliver: Wir haben faire Arbeitsbedingungen, es gibt viele Möglichkeiten – Aufstieg, Weiterbildungen, das Ausüben von Lehrtätigkeiten – und ein wertschätzendes Miteinander. Wir gewinnen Wettbewerbe und übergeben sehr gute Bauwerke, viele davon auch im öffentlichen Bereich. All das spricht sich herum und es spricht für sich.
Carolin: Das ist jetzt wieder sehr baslerisch gedacht. Ich möchte mit einer persönlichen Frage an euch schliessen: Was hält euch bei Burckhardt?
Oliver: Bevor ich zu Burckhardt gekommen bin, habe ich unter anderem in den USA für internationale Büros gearbeitet. Ich habe dort häufig gesehen, dass die Leute ausgepresst wurden wie Zitronen. Bei Burckhardt achten wir aufeinander und sind füreinander da. Darum fühle ich mich hier nach wie vor sehr wohl.
Christina: Ich bin nach dem Studium aus Paris zu Burckhardt gekommen und hatte nicht vor, lange zu bleiben. Nach dem ersten erfolgreichen Wettbewerb wollte ich dann doch das Projekt auch realisieren. Dann stand die Familienplanung an und Burckhardt hat mir die Möglichkeit gegeben, Familie und Beruf bzw. Karriere zu vereinen. Das war für ein Architekturbüro sehr besonders. Und es ist ein wesentlicher Grund dafür, dass ich geblieben bin.
Kenzo: Ich finde das System der Beteiligung spannend und die Möglichkeit, auch unternehmerische Verantwortung wahrzunehmen. Ausserdem finde ich die Brandbreite unserer Leistungen von der Projektentwicklung über sämtliche Leistungsphasen in der Architektur inkl. Ausschreibung und Bauleitung bis zur Vermarktung und auch Bewirtschaftung sehr wertvoll. Das ist ein Modell, das es so kaum woanders gibt.
Carolin: Rafael, bei dir muss ich die Frage anders stellen: Du bist nach einigen Jahren zu Burckhardt zurückgekommen. Weshalb?
Rafael: Für mich hat es sich so angefühlt, wie wieder nach Hause zu kommen – es gibt Traditionen, die geblieben sind, auch das Wertschätzende kenne ich von früher. Gleichzeitig habe ich auch gemerkt, dass es im Unternehmen Lust auf Veränderung gibt und ich etwas bewirken kann, wenn ich zu Burckhardt zurückkomme.
Carolin: Jantos, wie ist es bei dir?
Jantos: Auch mir ist das wertschätzende Miteinander und die Art und Weise, wie wir zusammenarbeiten, wichtig. Irgendwie schaffen wir es als Struktur, uns weiterzuentwickeln, neue Themen aufzugreifen und zu bearbeiten. Das ist etwas, was mich hält. Ich glaube an das Versprechen, das Burckhardt mir einmal gegeben hat: Zukunft mitgestalten zu können.
Carolin: Ich danke euch sehr dafür, dass ihr euch die Zeit für dieses Gespräch genommen habt.
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